Wortbeitrag zum Thema: Liegenschaft Kirchgasse 7 von Kai Hilbig

06.09.2018

DS_40-2018.pdf

15. Oktober 2018

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren vom Magistrat, sehr geehrte Kollegen, liebe Bürger,

der Tod eines Menschen und Mitbürger hinterlässt immer eine Lücke.

Richard Link und seine Frau Elfriede waren ein Stück Alt-Steinbach und wenn auch nicht jeder sie so wahrgenommen hat – so haben sie das heutige Alte Steinbach deutlich mitgeprägt.

Wie oft habe ich mich selber dabei erwischt, wie ich in das Grundstück geschaut habe?

Wie oft fühlte ich mich dabei an die Zeiten erinnert, die ich gar nicht miterleben konnte?

Ganz ehrlich: Dieses Grundstück hat mir den Einstieg und das Verstehen der Steinbacher Geschichte erst ermöglicht. Hier konnte ich erkennen und nachvollziehen, wie man in unserem Ort vor dem großen Beton gelebt hat.

Es war der Wunsch des Ehepaares Link, dass Ihr Haus, mit dem gemeinsamen Ableben, in die Hände der Bürgerstiftung „Bürger helfen Bürger“, bzw. aus rechtlicher Sicht, in die Städtische Hand gelangen sollte.

Mit diesem Antrag möchte die Koalition den nächsten Schritt anschieben. Dieser nächste Schritt ist nichts anderes als eine Prüfung dessen, was mit diesem Gebäudekomplex sinnvoll gemacht werden könnte. Natürlich mangelt es nicht an Ideen – da nehme ich mich mal nicht aus – aber zuerst müssen wir die Bausubstanz erfassen, bewerten und einordnen. Erst dann können wir überhaupt erst sagen, ob dies Gebäude technisch überlebensfähig sind.

Dann in einem weiteren Schritt können die kreativen Ideen darüber-gelegt werden.

Aber auch diese kreativen Ideen werden das Rahmenkonzept beachten müssen:

Da ist der Wunsch der Eheleute Link, da ist der Stiftungsgedanke der Bürgerstiftung und da ist schlussendlich auch der Denkmalschutz.

Das Haus und die Scheune stehen dabei nicht unmittelbar unter Denkmalschutz – aber die gesamte Umgebung um den Freien Platz, von Bornhohl bis zur Kirchgasse, also unser historisch gewachsener alter Stadtkern, ist als Ensemble dort erfasst und als schützenswert eingestuft.

Wenn wir die Entwicklung in Steinbach in den vergangenen Jahren betrachten, dann haben wir unsere Stadt nahezu umfassend erneuert: Schule, Bahnstraße, Bürgerhaus, Kunstrasensportplatz, neue katholische Kirche, Avendi, Thüringer Park und nun vor wenigen Tagen die Neue Mitte, den St- Avertin-Platz. Wir sind einer der ganz wenigen Orte in Hessen, vielleicht sogar in Deutschland, der sich quasi erneuert bzw. modernisiert hat. Unsere kleine Stadt ist in seiner Umsetzung das Wunschbild vieler Städterplaner in anderen Orten.

Aber bei all‘ der Erneuerung liegt es nun mal in der Natur der Sache, dass damit etwas „altes“ ersetzt wird.

Und hier müssen wir uns fragen: wie weit geht unsere eigene Identität? Fängt sie bei den Hochhäusern an? Oder fängt sie in der Brummermann-Siedlung an, deren Menschen nun schon über 50 Jahre diesen Ort mitgeprägt haben? Sind es die vielen Grünflächen die uns glücklicherweise umgeben?

Oder entspringt unsere Identität nicht vielleicht sogar der Keimzelle der Bebauung in Steinbach: dem Freien Platz und seinen angrenzenden Straßenzügen, die damals wie heute noch ihre historischen Namen tragen.

Aus meiner Sicht, aus unserer Sicht haben wir mit der Liegenschaft Kirchgasse 7 ein Juwel in unserer alten Stadtmitte erhalten, den wir behutsam behandeln sollten.

Wir sollten genau überlegen, ob wir mit diesem Grundstück nicht vielleicht die einmalige Chance haben, an dieser Stelle unsere eigene Identität einfangen und bewahren zu können.

Tun wir es nicht: …

…dann ist die Geschichte an dieser Stelle tatsächlich Geschichte und bald wird sich niemand mehr daran erinnern.

Man muss kein großer Prophet sein: Auch auf diesem Grundstück werden wir nicht die Wohnungsnot im Rhein-Main-Gebiet lösen können – wir können aber sehr wohl, sehr genau hinschauen und ein Stück eigener Geschichte und damit Steinbacher Lebensqualität bewahren.

Auch wenn ich hier eine mögliche Grundrichtung aufgezeigt habe, dann bleibt dieser Prüfantrag ein neutraler Prüfantrag an die Verwaltung und den Magistrat.

Wie gesagt: Es muss zuerst erfasst, bewertet und eingeordnet werden.

Dann – und das wird der alles entscheidende Schritt sein – müssen wir einen Blick auf die Umsetzung, auf die Machbarkeit und die Finanzen werfen.

Denn eines ist klar…

…und da brauch man auch kein großer Prophet sein: Aus eigener Kraft, aus unserem Haushalt heraus können wir auf dieser Liegenschaft nur schwer etwas gestalten und umsetzen.

Dazu bedarf es schon guter externer Fördermöglichkeiten, die es zu finden und die es dann sinnvoll umzusetzen gilt.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag und wollen uns an dieser Stelle und in diesem Rahmen posthum bei dem Ehepaar Link bedanken, die sie ihr altes Steinbach – für unsere rückschauende Zukunft im Blick hatten.

Vielen Dank!