Redebeitrag von Kai Hilbig zum Thema: Livestreaming der öffentlichen Sitzungen

19.10.2020

Antrag der FDP und SPD Fraktionen Livestreaming der öffentlichen Sitzungen und Ausstattung des Sitzungszimmers im Rathaus mit entsprechender Konferenztechnik

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren vom Magistrat, sehr geehrte Kollegen, liebe Bürger,

die Fraktionen von FDP und SPD stellen folgenden Prüfantrag:

Der Magistrat wird beauftragt zu prüfen:

1.welche technischen, und personellen Voraussetzungen nötig sind, damit die

Stadtverordnetenversammlung öffentlich und live übertragen werden können und dass diese mindestens 1 Jahr abrufbar sind.

2. welche notwendigen technischen Voraussetzungen im Sitzungszimmer des Rathauses zu schaffen sind, damit alle Nutzerinnen und Nutzer des Sitzungs-zimmers über Ton- und Bildtechnik mit anderen, externen Teilnehmenden kommunizieren können.

3. welche Veränderungen in der Geschäftsordnung der Stadtverordneten-versammlung notwendig sind, damit alle rechtlich relevanten Grundlagen geschaffen werden können.

Neben den Kosten für die Erstbeschaffung sind auch die laufenden Kosten für den Betrieb zu ermitteln. Weiterhin sind dabei die Eckpunkte der Datenschutz-grundverordnung zu beachten. Die Ergebnisse sind der Stadtverordneten-versammlung zeitnah schriftlich vorzulegen.

Mit dem Thema Livestreaming bewege ich mich in meinem ureigensten beruflichen Umfeld und obwohl ich schon seit über 30 Jahren in meinem tagtäglichem Leben Veranstaltungstechnik für Konferenzen vermiete, hätte ich es niemals für möglich gehalten, welche technischen Veränderungen wir in diesen Tagen erleben. Aber das ist gut so: Veränderung heißt Bewegung!

Die Besucher unseres Neujahrsempfangs haben noch im Januar die Ausführungen unseres Gastredners Richard Godfrey zum Thema Digitalisierung neugierig und intensiv verfolgt. Ich war sicherlich nicht der einzige im Raum, der hier und da innerlich auch geschmunzelt hat und sich eigentlich sicher war, dass „das schon noch einige Zeit dauern werde, bis wir mal so digital werden würden“. Denn eigentlich ist es ja für viele immer noch schön, wenn alles so bliebe, wie es mal war.

Keine sechs Wochen später zeigte uns die Welt, dass sie stillstehen kann. Und sie zeigte ein weiteres – ein anderes – Gesicht:               wenn es sein muss, dann ist unheimlich viel möglich! Die C19-Pandemie hat das vielzitierte digitale Zeitalter nun endlich aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Abstands- und Hygieneregeln, Homeoffice und Homeschooling: Das Coronavirus fordert ein Umdenken in unserem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenleben und ein neues Handeln – sowie nicht zuletzt auch den Schutz der schwächsten und gefährdetsten Mitglieder unserer Gesellschaft.

Wir müssen Lösungen finden, um genau diese Menschen mit Ihren Sorgen um die eigene Gesundheit nicht vom Leben oder von der Demokratie auszuschließen. In unserer Einladung zur heutigen Sitzung heißt es:

„Die Bürgerinnen und Bürger werden gebeten zu prüfen, ob eine Teilnahme an der Stadtverordnetensitzung erforderlich ist, da aufgrund der Corona-Pandemie das Sitzplatzangebot begrenzt ist.

Das kann auf Dauer sicherlich nicht die neue Selbstverständlichkeit der Demokratie werden. Unsere Demokratie findet in der Öffentlichkeit statt – das ist ihr Wesen und das ist ihre Kraft! Das moderne digital Hilfsmittel dazu könnte das Live-Streaming, die Echtzeitübertragung, sein. Öffentliche Sitzungen der Stadtverordnetenversammlungen werden live via Internet übertragen und für jeden interessierten Bürger verfolgbar. Und sie sollen nachträglich abrufbar werden. Somit kann der moderne Bürger mit flexiblen Arbeitszeiten und unterschiedlichen Freizeitgestaltungen unabhängig und freibestimmt die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung abrufen und verfolgen.

Eine Lösung, die die altbekannten Besuchergruppen nicht von der Demokratie ausschließen würde, nur weil sie sich an die Corona-Vorgaben halten möchten, und eine Lösung die, gleichzeitig neue Interessengruppen gewinnen wird. Eine Lösung, und das wollen die Freien Demokraten an dieser Stelle auch ganz deutlich in die Diskussion rund um den eigenen Prüfantrag der Koalition einbringen, eine Lösung, die ganz andere Fragen aufwirft und die zu intensiven Diskussionen innerhalb unserer Fraktion geführt hat.

Als Parlamentarier stehen wir natürlich im Öffentlichen Raum und es ist nur richtig, dass unsere Sitzungen öffentlich und für jedermann verfolgbar sind. Das schafft Transparenz und ist eine Grundsäule unseres demokratischen Zusammenlebens. Durch die hier angedachte Einbeziehung des Internets und der Speicherung von Aufzeichnungen berühren wir nun aber ganz erheblich den Bereich des persönlichen Datenschutzes. Sind die Rechte und Pflichten der Mandatsträger mit dem Recht der Menschen dahinter in Einklang zu bringen? Sind wir noch Herr der eigenen Daten? Das Recht am eigenen Bild… am eigenen Wort. Wie sieht es mit der Löschung von Daten aus, wenn diese von einzelnen gewünscht wird? Die Datenschutzgrundverordnung sieht diese jedenfalls vor.

Und obwohl wir es versucht haben, waren diese Fragen für unsere Fraktion nicht erfüllend und belastbar zu klären. Sie waren auch in der ersten Runde im Haupt- und Finanzausschuss nicht erfüllend zu klären. Hier müssen die Experten ran. Hier müssen die verschiedenen Rechtsprechungen beleuchtet werden. Hier muss neues geltendes Recht geschaffen werden. Aber wir sind mit diesem Prüfantrag kein Einzelfall und ich denke, dass die kommunale Gemeinschaft in Hessen Antworten und Lösungen finden wird. Wir sind ein modernes Land und eine moderne Gesellschaft. Da gibt es Veränderungen und das ist gut so. Die Menschen haben in den 1920er Jahren die Einführung des Tonfilms mit der Frage begleitet: wer braucht das? IBM-Chef Tom Watson mutmaßte in den 1940er Jahren, dass man auf der Welt nur 5 Computer brauchen würde. Der Magnetstreifen auf dem ersten Plastik-Personalausweis, schien das Ende der eigenen Freiheit in den 80er Jahren zu werden. Als in den 1990er Jahren das Onlinebanking aufkam, wurde vor Kontoplünderungen gewarnt. Das Geld sei nicht mehr sicher. Ich denke, die Geschichte hat gezeigt, dass digitale Neuerungen eine Zeit brauchen – aber dann zur Selbstverständlichkeit werden können.

In den vergangenen Monaten ist es deutlich geworden, wie zielführend [und umweltschonend] per Videokonferenz kommuniziert werden kann. Und es gab Wochen, wo es die einzige Möglichkeit zu einer Gruppen-Kommunikation war. Die zwischenzeitlich geltenden Spielregeln hatten für uns Freie Demokraten tatsächlich ein grundlegendes Problem geschaffen: wir konnten uns nicht mehr zu Fraktionssitzungen treffen. Das Bürgerhaus geschlossen und das Sitzungszimmer zu klein für unsere große Fraktion. So mussten die Freien Demokraten auf WebMeetings zurückgreifen: zuerst alle per ZOOM-Videokonferenz, später auch als sogenannte Hybridsitzungen mit einer Anzahl von tatsächlichen Teilnehmern und einigen, die per Videokonferenz zugeschaltet wurden. Die erforderliche Technik dazu, war zum Glück privat vorhanden. Aber nicht jede Partei, die Verwaltung oder die Großzahl der Steinbacher Vereine, Verbände und Organisationen ist dazu in der Lage.

Daher fordert die liberal-soziale Koalition die Prüfung zur Ausstattung des Sitzungszimmers mit entsprechender Konferenztechnik. Ein Anbinden an die bereits vorhandenen und guten technischen Einrichtungen erscheint uns Liberalen dabei ohne weiteres möglich zu sein. Es fehlt im Sitzungszimmer eigentlich nur noch ein kleines Videokonferenzsystem mit externer Kamera, zwei abgesetzten Mikrofonen und einer ordentlichen Tischlautsprecherstelle, die automatisch per USB an den Computer angeschlossen wird. Alle Anschlüsse zum Beamer am Whiteboard sind vorhanden. Einmal angeschlossen entsteht so ein ausreichend leistungsfähiges Videokonferenzstudio. Damit würde der Verwaltung, den Fraktionen und auch anderen Gruppen die moderne Kommunikationsform gestellt, die es in diesen Tagen dringend braucht. Sicherlich werden irgendwann Videokonferenzsysteme so selbstverständlich werden, wie es der Telefonanschluss einmal war. Bis dahin müssen wir unsere Gesellschaft handlungsfähig halten. Handlungsfähig und entwicklungsfähig: Online-Sprechstunden der Verwaltung oder des Ortsgerichts? Das ist die Beratung von Morgen – eigentlich sogar schon von heute.

Wir sind mittendrin im digitalen Wandel. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag.