Wortbeitrag zum Thema Bebauungsplan »Bahnstraße« von Astrid Gemke am 4.12.2017

04.12.2017

DS_17-113

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,liebe Kollegen,sehr geehrte Damen und Herren,
Keine leichte Entscheidung heute, gerade für uns Liberale: Denn bei bestehender Bebauung, anders als bei einem Neubaugebiet, ist ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan und der Erlass einer Veränderungssperremit einem Eingriff verbunden. Einem Eingriff in die Freiheitder Grundstückseigentümer selbst zu bestimmen, was sie auf dem eigenen Grundstück bauen dürfen, falls siedieses umnutzen oder andersbebauen möchten.
Entsprechend haben wir die Vorlage innerhalb der FDP-Fraktion sehr intensiv und auch sehr grundsätzlich diskutiert. Mit dem Ergebnis, dass ein solcher Eingriff nur durch gewichtige Gründe zu rechtfertigen ist.
Ein Blick ins Gesetz erleichtert auch hierbei die Rechtsfindung(und die Meinungsfindung).Genau das haben wir getan.
Ich zitiere auszugsweise aus dem Baugesetzbuch, § 1:
• »Die Gemeinden haben Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.«
• »Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung (…) gewährleisten.«
…und weiter heißt es im § 1 BauGB:
»Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: …
(Ich zitiere auszugsweise die wesentlichen Stellen, die für den vorliegenden Fall relevant sind)
…zu berücksichtigen sind demnach:
• »die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse«
• »die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung«
• »die Erhaltung und Fortentwicklung zentraler Versorgungsbereiche«
• »die Belange der Wirtschaft im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung«

Vor diesem Hintergrund komme ich jetzt konkret zur Bahnstraße:

Die Bahnstraße als zentraler Versorgungsbereich unserer Stadt steht vor einem Wandlungsprozess. Es zeichnet sich eine bauliche Nachverdichtung oder Umnutzung ab – spätestens bei Generations- oder Eigentümerwechseln oder bei altersbedingten Geschäftsaufgaben.
Angesichts der steigenden Nachfrage nach Wohnungen und knappem Bauland werden selbst Lagen für Wohnnutzung interessant, die früher eher unattraktiv waren. (siehe Kurmainzer Straße in Weisskirchen) Es zeichnet sich ab, dass an der Bahnstraße kleine Häuser durch große ersetzt werden, dass eine hochverdichtete Wohnbebauung entsteht, die keine Läden mehr vorsieht, dass in der Bahnstraße der Anteil der Ladennutzung abnehmen wird – obwohl die Bahnstraße eigentlich eine gute Lage für Läden ist. Es gibt keine Leerstände.
Gleichzeitig nimmt die Verdichtung der Wohnbebauung zu – obwohl die Bahnstraße aufgrund der Verkehrsbelastung eigentlich überhaupt keine gute Lage für Wohnen ist.
Für Wohnungen unmittelbar an der vielbefahrenen Straße, insbesondere in den Erdgeschossen stellt sich hier die Frage, ob die vom Baugesetzbuch geforderten »gesunden Wohnverhältnisse« stets gewahrt sind.
Erwirbt ein Bauträger ein Grundstück, ist Interessenlage des Bauträgers zumeist klar: Er will Wohnungen bauen, diese gewinnbringend als Eigentumswohnungen verkaufen und sich dann dem nächsten Projekt widmen.
Ein Laden passt nicht in dieses Geschäftsmodell.
Jedoch auch bei privaten Investitionen der Grundstückseigentümer wird das kleine Haus weichen. Es werden mehr Wohnungen entstehen. Wohnungen sind eine sichere Einnahme, die die Banken gerne als Sicherheit anerkennen.
Ein Laden hingegen birgt scheinbar Risiken, denn man weiß zu Baubeginn zumeist nicht, ob man einen Gewerbemieter finden wird und welche konkrete Ladennutzung es sein wird.
Das schreckt manchen ab. Wie gesagt, obwohl es keine Leerstände gibt und Gewerbemieten sogar oft höher sind.
Manche sagen: »Wozu noch ein Friseur?«, »nur ein Nagelstudio« oder „nur ein Döner«, »nur ein Blumenladen«, „noch eine Apotheke« usw.
Aus den vielen »Nurs“ und »Nochs« wird aber in der Summe ganz schön viel für eine kleine Stadt, die ausnahmslos von größeren Städten umgeben ist.
Auch das zeichnet die Lebens- und Wohnqualität in Steinbach aus!
Was ist der Unterschied, wenn man durch Steinbachs Bahnstraße fährt statt zum Beispiel durch die Kurmainzer Straße in Weißkirchen, wo es so gut wie keine Läden mehr gibt:
In Steinbach sieht man auf der Bahnstraße immer Menschen bei ihren Erledigungen und kleinen Einkäufen. Die Läden profitieren gegenseitig voneinander.
Wo die Stadt direkten Einfluss auf die Nachnutzung von Grundstücken hatte, wurde dafür gesorgt, dass ein Laden ins Erdgeschoss kommt. Sei es bei der Neubebauung der Eschborner Straße 5 (der ehemaligen Engstelle), sei es bei der anstehenden Neubebauung der Bahnstraße 4.
Im Fall des Bebauungsplans, der noch den alten Namen Pijnackerplatz trägt, waren sich hier alle Parteien einig – mittels Bebauungsplan wurde festgelegt, dass Läden in die Erdgeschosse gehören.
Offenkundig hat sich der Magistrat bereits seit längerem und vorausschauend mit dieser Entwicklung befasst, denn die der Vorlage beigefügte Studie zu den Innenentwicklungspotenzialen im Bereich der Bahnstraße trägt das Datum 30.05.2016.
Nebenbei bemerkt ist es also nicht so – wie durch den direkten Versuch einer privaten Bauherrschaft zur Beeinflussung unserer heutigen Entscheidung vielleicht der Eindruck erweckt werden soll –, dass mit einemplötzlichen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan und der Veränderungssperre lediglich Einfluss auf ein einzelnes Bauvorhaben ausgeübt werden soll.
Es geht hier nicht um einen Einzelfall. Vielmehr ist das große Ganze zu sehen; jedes einzelne Bauvorhaben im Gesamtkontext zu sehen.
In der Studie zu den Innenentwicklungspotenzialen heißt es: „Es bestehen zum Teil Konflikte über die richtige Vorgehensweise bei Bauvorhaben, das betrifft sowohl Einzelbauvorhaben als auch die bauliche Entwicklung entlang der Bahnstraße.“
In der Studie wird auch zum Ausdruck gebracht, dass die Möglichkeiten zur Steuerung der Entwicklung ohne Bebauungsplan sehr begrenzt sind. Ohne Bebauungsplan gilt das Kriterium des „sich-einfügens“. Genehmigungsbehörde ist die Bauaufsicht des Kreises, die dieses Kriterium oftmals anders auslegt als die Stadt.
Die Studie empfiehlt die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans für den Bereich der Bahnstraße und damit die Festsetzung von Ladennutzung in den Erdgeschossen und resümiert:„Ein Bebauungsplan minimiert Konfliktpotenzial und schafft Planungssicherheit.“
Man kann durchaus unterschiedlicher Auffassung sein, ob man sich dem Resümee der Studie anschließt. Ob und inwieweit man für die Bahnstraße eine weitere Verdichtung des Wohnens will,ob man den Erhalt und die Weiterentwicklung der Ladennutzung fördern will.
Diese für die Entwicklung unserer Stadt nicht unerheblichen Fragen gehören hier diskutiert – diskutiert im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens. Immerhin ist zur Klärung der Möglichkeiten und zur Abwägung der Belange, der öffentlichen und der privaten, ein Bebauungsplanverfahren schließlich da.
Was uns wichtig ist: Wir entscheiden hier und heute nicht über ein einzelnes Vorhaben. Wir entscheiden vielmehr darüber, ob wir in den Planungsprozess einsteigen wollen, ob wir die Entwicklungsziele bestimmen wollen und die städtebaulichen Rahmenbedingungen definieren wollen, ob wir Planungs- und Rechtssicherheit schaffen wollen.
Ich komme zurück auf die eingangs erwähnte liberale Grundhaltung, möglichst wenig in das Eigentum einzugreifen – und ich komme gleichzeitig zurück auf die eingangs aus dem Baugesetzbuch zitierte „städtebauliche Entwicklung und Ordnung“.
Ich bin der Auffassung, hier geht beides zusammen:
Die Möglichkeit der Eigentümer, Wohnungen zu bauen einerseits,und die Stärkung des Einzelhandels andererseits. Damit sich beides gleichermaßen und nebeneinander entwickeln kannbedarf es einer städtebaulichen Ordnung, sprich eines Bebauungsplans.
Ich finde: wir hier in diesem Hause sollten bestimmen, welche Entwicklung wir für die Bahnstraße anstreben!nicht ausschließlich private Investoren, und nicht die Bauaufsicht des Hochtaunuskreises!

Ich werbe um Zustimmung zur Vorlage des Magistrats!