Bürgermeister Dr. Stefan Naas im Gespräch mit der Taunuszeitung

21.12.2012

Herr Naas, was ist in denn den vergangenen drei Jahren besonders gut gelaufen?

STEFAN NAAS: Gut gelaufen ist vor allem die Zusammenarbeit in der Politik. Es herrscht ein gutes Klima zwischen allen Steinbacher Parteien im Stadtparlament. Alle haben konstruktiv gearbeitet, und die Konfrontation wurde weniger gesucht, als das früher der Fall war. Auch große Projekte sind einfach gut gelaufen wie der Bau der Phorms- und der Geschwister-Scholl-Schule, die Schaffung von 40 neuen Betreuungsplätzen für die unter Dreijährigen, die Sanierung des Pijnackerplatzes und die Realisierung des Neubaugebiets Taubenzehnter inklusive der neuen Edeka-Filiale.

Glücksfälle waren auch der Kauf des Reiterhofs im Taubenzehnten und dass wir viele Fördermittel für den Umbau der Eschborner Straße und der Bahnstraße erhalten haben. Auch Ordnung und Sauberkeit in der Stadt konnten verbessert werden.

Und was lief schlecht?

NAAS: Manches ging mir nicht schnell genug voran, aber viel fällt mir da insgesamt nicht ein.

Auf welche politischen Entscheidungen hätten Sie gern mehr Einfluss genommen?

NAAS: Ich kann mich über mangelnden Einfluss nicht beklagen.

Es gibt Bundesländer, in denen haben die Bürgermeister mehr Rechte als die Rathauschefs in Hessen …

NAAS: Mehr Einfluss hätte ich gerne auf die Bundes- oder Landesgesetzgebung. Dabei denke ich an die Finanzausstattung der Kommunen und die Gesetze zur Betreuung der unter Dreijährigen, die uns große Lasten auferlegen. Bund und Land geben uns immer mehr Aufgaben, aber nicht das Geld dazu.

Die Teilnahme am Rettungsschirm-Programm zwingt die Stadt zu erheblichen Sparmaßnahmen. Warum wurde nicht schon früher gespart?

NAAS: Es wurde auch schon früher gespart, nur war der Druck früher lange nicht so hoch wie heute. Es steht jetzt viel mehr auf dem Spiel. Es geht um eine Entschuldung von 46 Prozent, das entspricht 8,3 Millionen Euro für Steinbach. Das ist ein ganz anderer Anreiz, als wenn man in dem üblichen Dilemma steckt und fragt: Was braucht eine Gemeinde? Was kann sie sich leisten?

Der Ausweg war in den vergangenen 20 Jahren oft die Finanzierung über Kassenkredite. Steinbach hatte in dieser Zeit fast immer einen defizitären Haushalt und die Schulden sind kontinuierlich gestiegen, übrigens ganz unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten. Somit kann sich niemand aus der Verantwortung stehlen.

Wo schmerzt das Sparen am meisten?

NAAS: Es schmerzt am meisten im sozialen Bereich. Konkret: die Erhöhung von Kinderbetreuungsgebühren und das Kürzen der Ausgaben für die U3-Betreuung, Vereine und Jugendfreizeiten. Wenn wir genug Einnahmen durch die Gewerbesteuer hätten, könnte Steinbach das alles locker finanzieren. Wir haben aber zu geringe Gewerbesteuereinnahmen, weil wir ein zu kleines Gewerbegebiet haben.

Kann das neue Gewerbegebiet zum Allheilmittel für die städtischen Finanzen werden?

NAAS: Sie lösen mit dem neuen Gewerbegebiet natürlich nicht alle finanziellen Probleme. Steinbach hat seine Defizite nicht einer überdurchschnittlichen Ausgabenpolitik zu verdanken. Wir kranken nicht daran, dass wir in der Vergangenheit geprasst hätten. Das sieht man auch am schlechten Zustand des Rathauses und der anderen öffentlichen Gebäude. Auch die Verwaltung hat keine üppige Ausstattung. Ganz im Gegenteil. Unser Problem ist die Einnahmeseite und dazu gehört eben vor allem, dass Steinbach im Vergleich zu anderen Kommunen zu geringe Gewerbesteuereinnahmen hat.

Aber die Ausgabenseite stellt doch ein ebenso großes Problem dar. Zum Beispiel die Kreisumlage …

NAAS: Natürlich ist die Kreisumlage eine Riesenlast für uns, jede Senkung würde uns gut tun. Aber auch da muss man Realist bleiben: Es wird wohl keine Senkung geben, solange der Kreis selbst einen defizitären Haushalt hat. Das sind Gesetze, die woanders gemacht werden.

Und da kommt der Schutzschirm ins Spiel …

NAAS: Es wird zurzeit eine intensive Debatte über den Schutzschirm geführt mit der Frage, ob Steinbach teilnimmt oder nicht.

Aber es stehen doch fast alle Steinbacher Politiker hinter dem Schutzschirm, oder etwa nicht?

NAAS: Das hoffe ich sehr für Steinbach. Der Schutzschirm ist eine Riesenchance. Ich sage klar und deutlich: Der Schutzschirm muss kommen. Das Grundproblem ist aber, dass wir uns alle mit so schwerwiegenden Entscheidungen und tiefgreifenden Einschnitten schwertun. Auf jeden Fall muss bis 14. Februar kommenden Jahres ein Entschluss gefasst werden.

Wie weit ist denn die für Steinbach so wichtige Südumgehung in den vergangenen drei Jahren vorangekommen?

NAAS: Wir haben über den Trassenverlauf Einvernehmen erzielt und die Umgehung im Regionalen Flächennutzungsplan als gemeinsame Trasse der Städte Eschborn, Steinbach und Oberursel verankert, aber es steht und fällt alles mit der Finanzierung durch das Land.

Was glauben Sie, wie es weitergeht?

NAAS: Das ist schwer zu kalkulieren. Es gibt einerseits Widerstände gegen die Straße und die wird es sicherlich auch in Zukunft geben. Andererseits entstehen im gesamten Frankfurter Umland um uns herum Neubausiedlungen, was zur Zunahme des Verkehrs führt.

Entscheidend wird sein, ob das Land Hessen bereit ist, eine zweistellige Millionensumme in die Hand zu nehmen, um eine solche Straße zu realisieren. Ich glaube nicht, dass es am Ende am politischen Willen vor Ort hängt, sondern an der Machbarkeit durch das Land. Ich fürchte, es werden keine Gelder in absehbarer Zukunft zur Verfügung stehen.

Was macht dem Bürgermeister einer Kleinstadt wie Steinbach die Arbeit denn sonst noch schwer?

NAAS: Im Grunde gar nichts, es ist ein sehr schöner Beruf. Ich habe keinen Tag bereut. Man erhält stets Rückmeldungen, wenn etwas gut oder auch mal schlecht gelaufen ist.

Da die Hälfte Ihrer sechsjährigen Amtszeit vorbei ist – haben Sie noch Lust auf die zweite Halbzeit?

NAAS: Ja! (lacht) Ich habe noch genug Ziele und Ideen für die zweite Halbzeit. Was jetzt ansteht sind die Aufnahme Steinbachs in den Schutzschirm, die Realisierung des neuen Gewerbegebiets »Im Gründchen« am Bahnhof, die Sanierung der Bahnstraße und der Eschborner Straße, der weitere Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung, die Realisierung des Seniorenzentrums »Wiesenau« in der Untergasse, der Umbau des St.-Avertin-Platzes zur neuen Mitte und der Erhalt des Lebensmittelmarktes Netto, dazu noch die Beseitigung der Engstelle an der Eschborner Straße 5 und 7 durch Abriss der Gebäude, die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit und der ehrenamtlichen Vereinsstruktur. Die Arbeit wird nicht ausgehen.

Auf wie viele Arbeitsstunden kommen Sie denn so pro Tag?

NAAS: Das weiß ich nicht, aber darum geht es auch nicht. Ich mache den Beruf aus Freude. Ich war neulich zu Besuch bei der Opposition und habe über den Schutzschirm gesprochen: Würden Sie das als Arbeitszeit oder als Vergnügen werten? Für mich war das mehr Vergnügen als Arbeit.

Wie viel Freizeit bleibt Ihnen für Hobbys?

NAAS: Man könnte zwar rund um die Uhr arbeiten, aber ich habe ausreichend Freizeit, auch für Hobbys wie Geschichte und Ausstellungen. Ich finde auch genügend Zeit für meinen Garten. Ansonsten sprechen mich die Bürger an, wenn das Gras mal nicht gemäht ist.